Ein Bekannter hat auf Facebook geschrieben, dass ihn die „Krokodilstränen“ langweilen, die von Vertretern der katholischen Kirche derzeit vergossen werden: Hintergrund ist die aktuelle Veröffentlichung des Gutachtens zum Missbrauch innerhalb der Diözese München. Hier archiviere ich meinen Kommentar zu seinem Post:
Hallo Christian,
Ich gestehe, dass ich die Taktik sehr wirkungsvoll finde. Anstatt Position zu beziehen oder aufrichtig zu sein muss man auf kritische Fragen lediglich sagen: „Meine Gedanken sind jetzt bei den Geschädigten“. Gesellschaftspsychologisch wirkt das erstmal sehr fad, aber man gewinnt dadurch Zeit; und Zeit ist bei Menschen ein Faktor, der Emotionen und Erinnerungen abkühlen lässt.
Durch meinen Beruf erlebe ich wirklich sehr viele Selbstschutzmechanismen bei Menschen; diese Taktik hier wirkt in einer breiten Öffentlichkeit und nicht nur im persönlichen Umfeld. Aber im Kern ist es dasselbe Phänomen: Fehlende Verantwortungsübernahme.
Ich will jetzt hier kein Essay schreiben, aber kurz eine Taktik umreißen, wie ich in meiner Arbeit mit solchen Mustern umgehe: Je nach Fall liegt der Fokus auf Konsequenzen für den Täter, Opferempathie, Ethos oder der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen.
Mit keinem dieser Themen kann man der Institution (deutsche) Katholische Kirche kommen. Schließlich vermarktet sie seit Jahrhunderten einen Exklusivplatz in der Gesellschaft, der alle Nicht-inaugurierten Menschen als „Laien“ bezeichnet. Und bis heute bekommt es unsere Gesellschaft nicht hin, das Kirchenstrafrecht einer vollständigen Säkularisierung zu unterziehen (so zumindest mein Kenntnisstand).
Vielleicht dürfen wir uns als Mitglieder einer Gesellschaft da auch an die eigene Nase fassen. Ich zum Beispiel bin aufgrund von Feindseligkeiten gegenüber meines Naturells aus der Kirche ausgetreten. Hätte ich vielleicht bleiben und auf Veränderung hinwirken können? Beste Grüße, Sascha
P.S.: Beim Schreiben dieses Textes meine ich plötzlich einen Zusammenhang zu erkennen: zwischen der Unterdrückung des Sexualtriebes und dieser von dir als langweilig empfundenen Agitation.